Lipo Akkus – Qualität und Langzeiteigenschaften. Oder, wie man einen Akkuschrauber für umme repariert.
Motivation
In diesem Artikel >>> Lipo Akkus - Frust, Mythen, Meßwerte und Eigenschaften <<< untersuchte und verglich ich vor 2 Jahren Lipo Akkus des Akkuschraubers eines Discounters mit den Akkus eines Notebooks. Die Notebookakkus hatte ich seinerzeit aufgeladen beiseitegelegt. Als ich vor einiger Zeit wieder zu meinem Akkuschrauber griff, um die Kellerwände mit Regalen einzudecken, zeigt dieser einen leeren Akkustand an. Ok, das passiert ja zuweilen. Was allerdings nicht passieren sollte ist, daß der Akku nach bereits einer viertel Stunde vermeldet, vollgeladen zu sein. Und so meldete er auch gleich nach dem ersten gebohrten Loch „bin wieder leer, lad‘ mich auf“. Obwohl das eigentlich Unfug ist, wiederholte ich den Aufladeversuch – der lieben Reproduzierbarkeit wegen. Das gleiche Bild; nach einer viertel Stunde war der Akku angeblich wieder voll. Diagnose, hier ist mindestens ein Akku defekt.
Die Analyse
Das Akkufach war schnell aufgeschraubt und im Inneren zeigten sich 4 blaue 18650 Akkus – wie erwartet – ohne Hinweis auf den eigentlichen Hersteller. Das Nachmessen der Spannung ergab für 3 Akkus etwa 3,5V und für einen Akku eine Spannung von 4,2V. Aha, der 4,2V Akku ist also der Übeltäter. Diese Kenntnis läßt gleich zwei Folgerungen zu:
- Wieder hat sich gezeigt, daß die Akkus von Billigschraubern nicht paarweise vermessen in den Handel kommen, womit das „Gesamtpaket“ dann recht schnell über den Jordan geht und
- die Ladeschaltung ist so ausgelegt, daß die Akkus zwar einzeln überwacht und geladen werden, das Fehlverhalten eines Akkus jedoch die gesamte Ladung verhindert.
D.h. zum Ausfall es Schraubers reicht ein einzelner defekter Akku. War beim Schrauber vor zwei Jahren ein Akku von 3 defekt, so war es hier wieder einer von 4 Akkus. Das kurbelt den Umsatz der Hersteller an und frustet den Verbraucher.
Die Lösung
Doch wie steht es um die Kapazität der vor zwei Jahren voll aufgeladen und zur Seite gelegten Notebook Akkus? Die seinerzeitigen Messungen ergaben eine beachtlich geringe Streuung der Kapazitäten, sodaß die Vermutung bestand, die Akkus würden wohl gut (paarweise) verlesen in das Notebookpack eingeschweißt werden. Tabelle 1 zeigt die Messwerte aus dem Jahr 2016 (links), den Nachmessungen zwei Jahre danach gegenübergestellt (rechts).
Tabelle 1: Vergleich der Ladespannung von Notebook Akkus nach zwei Jahren Lagerung.
Die Leerlaufspannung der Notebook Akkus nach zwei Jahren Lagerung liegt gerade mal 0,1V unter der Leerlaufspannung direkt nach der Ladung! Unter einer Last von 1A (etwa 0,5C) über eine Dauer von 5s gemessen, fällt die Spannung ebenfalls nur um einen typischen Wert von 0,1V ab.
Betrachtet man nochmals das beispielhafte Entladediagramm des Akkus 1 von vor zwei Jahren, so bedeuten Spannungswerte von 4,1V respektive 4,0V immerhin noch Kapazitäten von weit über 90% (siehe Diagramm 1)!
Diagramm 1: Entladekurven des Akku 1 über der Zeit.
Ist der geringe Kapazitätsverlust nach zwei Jahren Lagerung (bei durchschnittlich 20°C Zimmertemperatur) bereits erstaunlich genug, so sind es die geringen Streuungen der Leerlaufspannungen und der Spannungsmessungen im Belastungsfall erst Recht!
Damit erhärtet sich die bereits vor zwei Jahren aufgestellte Hypothese, daß die Hersteller von Notebooks darauf bedacht sind, sehr gute (und paarweise verlesene) Akkus in den Verkehr zu bringen, um Rückläufer aufgrund von einfachen (und prinzipiell billigen) Akkudefekten auszuschließen.
Fazit
Die werkseitigen Akkus billiger Akkuschrauber scheinen ihre Sollbruchstelle im Akkupack zu beinhalten. Dabei reicht ein einzelner defekter Akku, um den ganzen Schrauber arbeitsunfähig zu machen. Anders herum scheinen (Erstausrüster-) Akkupacks von Notebooks genau das Gegenteil darzustellen. Hier ist man auf eine lange Lebenszeit bei einem finalen gleichzeitigem Ausfall aller Akkus bedacht. Will man also einen billigen Akkuschrauber „aufwerten“, so spendiert man ihm Notebook Akkus.
Doch die Sache hat einen Haken
Wir wissen nämlich nicht, wie die Qualität von Notebook Ersatzakkus (als angenommene Bezugsquelle) aussieht. Hier steht der Anbieter nämlich nicht unter der Gefahr eines teuren Geräterücklaufes, wenn sein Akku nach kurzer Zeit den Geist aushaucht. Allenfalls registriert der Kunde nach ein bis zwei Jahren, daß der Akku nicht die 8 Jahre gehalten hat, wie der originale Akku sondern nur zwei (die Gewährleistungszeit abzudecken „reicht ja“)?! Naja, denkt man sich, war ja nicht so teuer, kauft man sich eben nochmal einen bei einem anderen Anbieter (oder gleich ein neues Notebook)…
Der Ausweg
Nun, der liegt auf der Hand. Man benötigt also eine Bezugsquelle für originale Notebook Akkus. Hier mag sich ein jeder seine eigenen Gedanken dazu machen…
Die Problemlösung
Bild 1 zeigt das durch die Notebook Akkus ersetze Akkupack des Bohrschraubers (rechts unten). Der Schrauber meldete „Volladung“ und die Nachladung mit dem originalen Ladegerät war nach wenigen Minuten abgeschlossen (will heißen – Akkus waren tatsächlich nahezu voll). Der Akkuschrauber drehte seitdem etwa >64 Stück 5x60er Schrauben in 8er Dübel und zeigt immer noch einen vollen Ladezustand. Gefühlt hat er dabei mehr Arbeit verrichtet, als es die originalen Akkus je im Stande gewesen wären zu leisten. Leider sind die Regale nun an der Wand, sodaß die tatsächlich zu erreichende Zahl an einzudrehenden Schrauben wohl für immer eine Unbekannte bleiben wird. Bild 1 zeigt das geöffnete Akkupack mit den originalen blauen 1300mAh Akkus sowie die ersetzten roten Notebook Akkus.
Bild 1: Akkupack mit Notebook Akkus (rot) und den originalen Akkus (blau).
Vorsicht
Bereits im ersten Artikel hatte ich auf die Gefahren von Lipo Akkus hingewiesen. Insofern sollte man sich dessen bewußt werden, wenn man beherzt ein Akkupack auseinanderrupft und die darin befindlichen (unbekannten) Akkus durch neue (auch eher unbekannte) Akkus ersetzt. Zu den möglicherweise unterschiedlichen Bedürfnissen der Akkus hinsichlich der Lade- und Entladeschaltung kommen allfällige Nickligkeiten wie Kurzschlüsse beim werkeln, zu langes und heißes Löten an den Anschlußfahnen der Akkus und Etliches mehr.
Schöne Grüße
schnasseldag