Vor Jahren habe ich meinen Desktop-PC abgeschafft und arbeite seitdem nur noch mit einem Notebook, das auf dem Schreibtisch über eine Dockingstation mit einem Monitor, externer Tastatur und Maus sowie diverser Peripherie verbunden ist. Jedoch gab es immer wieder Situationen, in denen ich mir einen zusätzlichen PC zurückgewünscht habe. Platzbedarf und Kosten standen jedoch in keinem Verhältnis zum Nutzen. Mit der 8 GB-Variante des Raspberry Pi 4 bot sich eine platz- und stromsparende Lösung an. Also habe ich begonnen, mir verschiedene Images anzusehen. Meine Erfahrungen, den aktuellen Stand und die Entwicklung dorthin möchte ich mit Euch teilen.
Leider waren zunächst nur 32-Bit-Images verfügbar. Wenn die auch ausreichen mögen, wollte ich doch ein Betriebssystem, das die Hardware vollständig nutzen kann. Dazu habe ich zunächst openSUSE ausprobiert und war ernüchtert. Dann habe ich Manjaro ausprobiert, das schon besser lief, aber immer noch nicht befriedigend. Auch die Umstellung auf eine SSD brachte nicht den erhofften Performanceschub. Nachdem es inzwischen eine 64-Bit-Version von Raspberry Pi OS gibt (wenn auch nicht offiziell freigegeben), habe ich die ausprobiert und war über dessen Performance und Stabilität positiv überrascht.
Von Raspberry Pi OS gefällt mir die Benutzeroberfläche nicht sonderlich. Darum habe ich XFCE ausprobiert, weil das als ressourcenschonend gilt. Die Performance leidet damit nicht merklich. Mir hat allerdings die Performance bei Videos noch nicht zugesagt. Die Load des Systems stieg auch auf bis zu 9 an. Ich bin dann auf die Aktivierung der Hardwarebeschleunigung in Chromium, Firefox und VLC gestoßen. Die Load ist auf etwa 5 gesunken und das System bleibt damit bedienbar. Videos in FullHD mit 30 fps laufen ruckelfrei und mit kaum Framedrops, mit 60 fps wird es kritisch.
Jetzt bin ich mutig geworden und habe meinen Pi zum Videokonferenzsystem ausgebaut. Webcam und Mikrofon wurden sofort erkannt und waren betriebsbereit. Nur in den Einstellungen musste man die neuen Geräte auswählen. Die ersten Tests verliefen erfolgsversprechend, die Feuertaufe mit einer längeren Videokonferenz und etwa 20 Teilnehmern steht jedoch noch aus.
Der Raspberry Pi kann einfache tägliche Aufgaben wie E-Mail, im Web surfen, schnell etwas scannen oder drucken problemlos erledigen. Die Ladevorgänge dauern zwar etwas länger, man kann danach aber flüssig arbeiten. Der Arbeitsspeicher ist bei mir nie komplett belegt. Er ist kein Ersatz für meinen Intel i7 mit 4 Cores und 8 Threads, aber er ergänzt ihn gut, weil er bei sehr geringem Stromverbrauch im 24/7-Betrieb läuft und damit einfach jederzeit verfügbar ist.
Möglicherweise ist er auch eine preiswerte Lösung für Home Schooling oder sogar Home Office. Ich weiß, es gibt den Raspberry Pi 400, der billiger ist. Der hat allerdings keine SSD, sondern arbeitet mit einer SD-Karte, die im Dauerbetrieb eher weniger stabil ist.
Meine aktuelle Ausbaustufe am 5. Mai 2021 und aufgelaufene Kosten:
Element | Modell | ca. Preis |
---|---|---|
Raspberry Modell | Raspberry Pi 4B mit 8 GB RAM | 80 EUR |
SSD | Intenso M.2 SATA III mit 240 GB | 30 EUR |
Gehäuse | Argon ONE M.2 | 50 EUR |
Netzteil | Original-Netzteil für Raspberry Pi 4 Model B | 10 EUR |
Betriebssystem | Raspberry Pi OS Lite 64-Bit vom 09.04.2021 | 0 EUR |
Desktop | XFCE4 | 0 EUR |
USB-Hub | CSL 7-Port USB3 mit eigener Stromversorgung | 35 EUR |
Summe | 205 EUR |
Das Gehäuse von Argon ist vergleichsweise teuer, bietet jedoch Platz für den Raspberry Pi und die SSD, von der auch gebootet wird. Zudem werden die Micro-HDMI-Ports als normale HDMI-Port nach außen geführt. Ein Lüfter ist eingebaut und Argon bietet eine konfigurierbare Steuerungssoftware an. Schließlich hat das Gehäuse auch einen Ein-/Aus-Taster, so dass das Abziehen des Stromkabels entfällt, was auf Dauer dem Port zu Gute kommt.
Eine volle Belegung aller vier USB-Ports kann dazu führen, dass der Raspberry Pi nicht mehr startet. Dazu liefert das Netzteil nicht genug Strom. Mein Raspberry Pi läuft jedoch, wenn ich die Stromfresser nach dem Start einstecke. Mit dem USB-Hub mit eigener Stromversorgung erübrigt sich jedoch das Aus- und Einstöpseln und der Gesamtstabilität wird er auch gut tun.
Folgende Elemente waren bereits vorhanden:
Element | Modell |
---|---|
Monitor | Lenovo ThinkVision T2424pA |
Tastatur | Cherry KC6000 Slim |
Maus | Cherry MW 2310 |
Lautsprecher | Logitech Z313 |
Webcam | Logitech C925e |
Mikrofon | auna MIC-920B USB |
Mikrofon-Arm | Keepdrum MS138 Gelenk-Stativ |
Kopfhörer | Bayer Dynamics DT75 |
externer DVD Brenner | Modell unbekannt |
Die oben genannten Komponenten sind unabhängig vom Raspberry Pi. Sie werden immer benötigt, bzw. nur abhängig vom Einsatzzweck und die Auswahl hängt stark von persönlichen Präferenzen ab.
geplante Elemente:
- Monitor mit 4k-Auflösung oder Ultra-Wide-Display (muss einen KVM-Switch enthalten)
- andere Lautsprecher (die Logitech brummen, welches nicht aus dem Stromnetz kommt)
Tweaks in /boot/config.txt:
over_voltage=2
arm_freq=1750
gpu_freq=600
dtoverlay=vc4-fkms-v3d
hdmi_enable_4kp60=1
dtoverlay=gpio-fan,gpiopin=14,temp=60000
enable_uart=1
Meine Tweaks bitte ich nicht als Ratschlag zu sehen, sondern als Anhaltspunkt. Ich habe meinen Raspberry Pi nur soweit übertaktet, dass die Garantie nicht verloren geht. Mir liegt es dabei weniger an der Garantie, sondern mehr daran, dass diese Grenze vermutlich seine Gründe in der Stabilität (über die Zeit) hat.
Von mir verwendete Software:
Web Browser | Chromium mit Add-On uBlock Origin Firefox mit Add-Ons uBlock Origin, Decentraleyes, Cookie AutoDelete, HTTPS Everywhere, MetaGer Suche |
E-Mail-Client | Thunderbird mit Add-Ons TbSync, Provider für CalDAV & CardDAV, Enigmail |
Office | LibreOffice Writer LibreOffice Calc LibreOffice Impress LibreOffice Draw LibreOffice Math |
Grafik | Gimp SimpleScan Ristretto-Bildbetrachter |
Multimedia | Audacity Cheese MediathekView MusicBrainz Picard EasyTAG VLC Xfburg |
Fernwartung und virtuelle Maschinen | Remmina Virt-Manager |
Passwort-Manager | KeePassXC |
Dokumentenbetrachter (PDF, EPS, DVI, PS, XPS) | Evince |
Paketverwaltung | Synaptic |
Virenscanner | ClamAV mit ClamTk |
Nachtrag vom 07.05.2021:
Für Videokonferenzen und damit für Home Office und Home Schooling eignet sich der Raspberry Pi leider in der Praxis nicht. Während die externe Kamera einwandfrei bei lokalen Tests und für die Test-Meetings der Anbieter funktioniert, wird bei größeren echten Meetings kein Bild übertragen. Weder meines zu den anderen, noch das der anderen zu mir. Durch diverse manuelle Änderungen konnte ich zwar messbare Verbesserungen der Performance (auch beider Video-Wiedergabe) erreichen, jedoch nicht das Video-Problem bei Online-Konferenzen lösen.